In Zeiten von Klimawandel und Energiekrise kommt es auf jeden Einzelnen an: Die Energiewende wird nun vermehrt mithilfe von Bürgerenergiegenossenschaften vorangetrieben. Mehrere derartige Vorhaben waren bereits erfolgreich.
Energiewende als Mammutvorhaben mehrerer Generationen
Smarte Städte brauchen Energie. Energie, die aber in Zeiten der Energiekrise nicht vorhanden oder zu teuer ist, denn die Abkehr von fossilen und nuklearen Energieträgern ist kein leichtes Vorhaben. Eine sichere, dezentrale und klimafreundliche Energieversorgung aller Bürger und Unternehmen im städtischen und ländlichen Raum ist das Ziel, das auch durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz aus dem Jahr 2000 festgelegt wurde. Doch es braucht nicht nur einen technologischen Wandel, sondern auch einen gesellschaftlichen: Die Energieversorgung muss aktiv von allen Beteiligten mitgestaltet werden können. Dies ist bislang bereits in vielen Bundesländern beispielhaft gelungen: Eine Energiegenossenschaft wie Prokon macht die Bürgerbeteiligung möglich. Smarte Städte, die auf aktuelle Herausforderungen wie Bevölkerungswachstum und Klimakrise reagieren können, mögen zwar ein Mammutvorhaben sein, doch sie sind nicht unmöglich!
Energiegenossenschaften sind die Lösung
Bürger, Unternehmen und/oder Kommunen schließen sich in Energiegenossenschaften zusammen und investieren gemeinsam in Energieprojekte, die auf die Nutzung erneuerbarer Energien setzen. Unter anderem werden so Vorhaben rund um Windräder oder Photovoltaikanlagen realisiert. Hierbei sind wirtschaftliche Interessen sekundär, vorrangig geht es um die Förderung der Interessen aller. Die Energieversorgung soll damit ökologisch vertretbar, sozialverträglich und dennoch wirtschaftlich tragfähig werden. Die Mitglieder der Energiegenossenschaft beteiligen sich finanziell an den Energievorhaben. Sie erhalten dafür ein Mitspracherecht bei Entscheidungen, wobei jede Stimme den gleichen Wert hat. Gleichzeitig wird die Akzeptanz für neue Vorhaben erhöht, was sich beispielsweise bei der Planung und Umsetzung neuer Wind- und Solarparks zeigt.
Die Demokratisierung der Energieversorgung
Damit die Menschen auch in Zukunft in Wohlstand und Sicherheit zusammenleben können, bedarf es der Bewältigung einer der wichtigsten Herausforderungen unserer Zeit. Gemeint ist der Klimawandel, der durch einen ständigen Anstieg der Treibhausgase und die damit verbundene Erderwärmung ausgelöst wird. Doch es kann nicht allein der Staat sein, der entsprechende Maßnahmen ergreift und umsetzt, sondern die gesamte Gesellschaft ist gefragt. Über die Teilhabe der Menschen an wichtigen Entscheidungsprozessen und durch die damit verbundene Demokratisierung der Energiegewinnung soll ein nachhaltiger und erfolgreicher Klimaschutz gewährleistet werden. Denn: Allein über „Befehle von oben“ wird sich der Klimawandel nicht aufhalten lassen. Es fehlt in diesem Fall das Verständnis für Auflagen und Verordnungen. Verantwortung übernimmt nur derjenige, der gefragt und beteiligt wird..
Klimaschutz ist ein Gemeinschaftsprojekt
Bislang gibt es zwar einige Beispielprojekte, doch im Großen und Ganzen ist weder auf regionaler noch auf nationaler oder gar internationaler Ebene erreicht worden, dass sich die Bürger an der Energieversorgung beteiligen können. Entscheidungsbefugnisse haben sie ohnehin nicht, nicht zuletzt aus dem Grund, dass privatwirtschaftliche Interessen meist Vorrang vor dem Klimaschutz haben. Doch im Zuge der Demokratisierung der Energieversorgung soll genau das geändert werden. Dafür wurden wiederum erste Bürgerenergiegenossenschaften gegründet, wobei Deutschland dem Vorbild der USA, Kanada, Dänemarks oder Großbritanniens folgt. 1995 wurden sieben Grundsätze für solcher Genossenschaften von der International Co-operative Alliance verabschiedet:
- freiwillige und offene Mitgliedschaft
- demokratische Mitgliederkontrolle
- ökonomische Partizipation aller Mitglieder
- Autonomie und Unabhängigkeit
- Ausbildung, Fortbildung und Information
- Kooperation mit anderen Genossenschaften
- Vorsorge für die Gemeinschaft
Es ist verwunderlich, dass gerade Deutschland im Punkt der Energiegenossenschaften anderen Ländern hinterherhinkt, denn Bürgerengagement hat hierzulande eine lange Tradition. Sogar im Bereich der Energieversorgung gibt es eine längere Historie: Schon Ende des 19. Jahrhunderts wurden Energiegenossenschaften im ländlichen Raum gegründet. Dort sollten auf diese Weise das Stromnetz verbessert sowie ein Verteilnetz aufgebaut und unterhalten werden. Gerade in dünn besiedelten Gebieten war das die einzige Möglichkeit, die Bürger mit Strom zu versorgen, denn die großen Energieunternehmen hatten aus wirtschaftlichen Gründen oft kein Interesse daran, den Ausbau voranzutreiben.
Regionale und unabhängige Bürgerbeteiligung
In der Energiewirtschaft gibt es viele Akteure – einige davon sind Bürgerenergiegenossenschaften, die auf nationaler, regionaler oder kommunaler Ebene agieren. Sie bieten Bürgern die Chance, aktiv an der Energiewende mitzuwirken und sind auch als Investitions- und Anlagemöglichkeit zu sehen. Lokale und regionale Energieprojekte stehen dabei oft im Fokus. Der Ausbau erneuerbarer Energieerzeugungsanlagen steht ebenso im Fokus wie der Aufbau einer stabilen Struktur zur Energieversorgung vor Ort. Dabei wird die Energie als Gemeinschaftsgut gesehen, das nicht nur konsumiert, sondern auch produziert wird. Konsumenten werden zu sogenannten Prosumern, also Stromerzeugern und -verbrauchern, in einem. Netzstabilität, Preise und Angebot können somit direkt beeinflusst werden. Der Widerstand gegen neue Anlagen wird ebenso reduziert, wie die Energiewende beschleunigt werden kann. Damit verbunden sind weitere Vorteile wie:
- Einnahmen bleiben vor Ort
- regionale Arbeitsplätze werden geschaffen
- aktive Energieversorgung wird gefördert
Aktive Bürgerbeteiligung über Energiegenossenschaften treibt die Energiewende voran
Als „Bürgerenergie“ werden alle Projekte bezeichnet, bei denen sich Bürgerinnen und Bürger aktiv an der Energieerzeugung und -versorgung beteiligen. Über Bürgerenergiegesellschaften, die zu ihrer Gründung mindestens 15 Personen benötigen, sind staatliche Förderungen für Energieprojekte möglich. Eine Beteiligung für einzelne Personen ist meist ab 100 Euro im Jahr möglich, teilweise werden sogar nur 50 Euro für eine Mitgliedschaft in der Genossenschaft verlangt. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) bezeichnet die Bürgerenergie ganz einfach als Möglichkeit, mit der Bürgerinnen und Bürger die Energiewende beeinflussen können. Entsprechende Projekte sind danach von „höchster gesellschaftspolitischer Relevanz“, wenn es um die Weiterentwicklung von Gesellschaft und Wirtschaft in Deutschland geht. Dementsprechend gibt es projektbezogene Förderungen, wenn Bürgerenergie für die Energiewende verfolgt wird. Aktuell liegt die Höchstgrenze bei 300.000 Euro pro Projekt. Gut zu wissen: Um eine Vergütung zu bekommen, müssen die Ausschreibungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes nicht berücksichtigt werden, teilt das BMWK mit. Dennoch sind gewisse Vorgaben zu berücksichtigen, die die Leistung der Anlagen betreffen:
- Windkraftanlagen: Anlagenleistung von 18 Megawatt
- Photovoltaik-Anlagen: Anlagenleistung von 6 Megawatt
So sehen mögliche Bürgerenergie-Beteiligungen aus
Noch vergleichsweise neu ist das Energy Sharing, ein lokales Energie-Beteiligungskonzept. Mitglieder der Genossenschaft sollen dabei ihren Strom über ein regionales Verteilnetz vergünstigt nutzen können. Als Grundlage gilt eine EU-Richtlinie aus 2018, eine diesbezügliche regulatorische Ausgestaltung liegt aber im Gegensatz zu Ländern wie Italien oder Österreich in Deutschland noch nicht vor. Es ist hierzulande daher schwieriger, eine Energiegemeinschaft zu gründen. Schon jetzt gibt es verschiedene Möglichkeiten zur Beteiligung an der Bürgerenergie:
Lokale Energiegemeinschaften:
Bürger und Bürgerinnen schließen sich zusammen, um durch die Nutzung erneuerbarer Energiequellen ausreichend Strom zu produzieren. Kooperationen mit lokalen Netzbetreibern sind dafür nötig.
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Lokale Energiegemeinschaften: Bürger und Bürgerinnen schließen sich zusammen, um durch die Nutzung erneuerbarer Energiequellen ausreichend Strom zu produzieren. Kooperationen mit lokalen Netzbetreibern sind dafür nötig.
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Beteiligung an PV-Flächenanlagen: Seit Sommer 2024 beteiligen sich Bürgerinnen und Bürger aus dem bayerischen Landkreis Ebersberg an einer Freiflächen-Photovoltaikanlage mit einer Größe von 1,5 Hektar. Gezahlt wird eine jährliche Pauschale für die Beteiligung am Projekt, eine Einmalzahlung gab es dabei nicht. Die Beteiligten erwerben damit einen Anspruch auf den Marktpreis und beziehen oder verkaufen ihren Strom zum jeweils aktuellen Preis.
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Beteiligung an Windkraftanlagen: Die Gemeinde Lichtenau in Nordrhein-Westfalen ist ein gutes Beispiel für eine gelungene Bürgerbeteiligung. Über 15 Stadtteile sind dort insgesamt sechs Windparks verteilt. Bei zwei dieser Parks konnten Anteile erworben werden, was mit 500 bis 25.000 Euro möglich war. In jedem Jahr werden Anteile am Gewinn der Windräder an die Beteiligten ausgeschüttet. Darüber hinaus war der Eintritt in die Energiegenossenschaft möglich, die bei anderen Windparks gegründet worden ist. Auch hier konnten die Bürger und Bürgerinnen Anteile erwerben und werden nun jährlich am Gewinn beteiligt. Die Gemeinde bietet darüber hinaus noch eine dritte Beteiligungsform an Nachrangdarlehen werden in Höhen zwischen 500 und 25.000 Euro vergeben, die Verzinsung liegt aktuell bei fünf bis sechs Prozent. Die Lebensdauer eines Windparks liegt bei rund 20 Jahren, in der Zeit kann das Investment verdoppelt werden.
Auch diese Beispiele zeigen, wie eine erfolgreiche Bürgerbeteiligung aussehen kann:
- Genossenschaft zum Bau von Windkraftanlagen in Bayern über Crowdinvesting: Bürgerwind Hofoldinger Forst e. G.
- Zusammenschluss für den Ausbau von Nahwärmenetzen, Elektromobilität und Photovoltaik: BürgerEnergieGenossenschaft Kraichgau e. G.
- Zusammenschluss zur Umsetzung eines Windenergieprojekts: Bürgerenergiegenossenschaft Helmetal e. G.